Das Salz in der Suppe der Lüneburger Museen

Was soll ich denn in Bayern, in Hessen oder Rheinland-Pfalz,
das ist alles eine Suppe und in der fehlt ’s an Salz.
(Top for Tea – Die schönste Stadt der Welt/Lüneburg-Lied)

Zum Termin mit Hilke Lamschus im Deutschen Salzmuseum komme ich ein paar Minuten zu spät: ich habe mich verfahren. „Wie lange wohnen Sie schon in Lüneburg?“, fragt mich die Museumsleiterin und schaut mich mit einer Mischung aus Strenge und Belustigung an. „Zwei Jahre.“, lautet meine Antwort, und ich schäme mich ein bisschen. Zum einen, weil ich mich nach mehr als zwei Jahren offenbar immer noch nicht so gut in Lüneburg auskenne. Vor allem aber, weil ich es in den zwei Jahren noch immer nicht geschafft habe, das Deutsche Salzmuseum zu besuchen. Bis heute.

Es liegt fast ein wenig versteckt am Rande der Altstadt neben der übermächtigen, topmodernen Filiale von „Edeka Bergmann“. Dabei hat das Museum überhaupt keinen Grund, sich zu verstecken.

„Salz ist weiß, Salz macht durstig, Salz ist geruchlos, Salz verfeinert die Speisen, Salz ist nicht teuer, Salz ist ein unscheinbares weißes Körnchen.“

So lockt das Deutsche Salzmuseum seine Besucher. Nach dem Motto „Salz – kennt doch jeder, ist doch nichts Besonderes – wozu braucht es da ein Museum“? Die Aussage provoziert – und macht neugierig. Neugierig machen möchte ich Dich natürlich auch, daher muss ich aufpassen, dass ich nicht zu viel verrate. Aber so viel kann ich bereits zu Beginn versprechen: Ein Besuch im Salzmuseum ist absolut lohnenswert!

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In der Ausstellung gibt es auch eine Sammlung ungewöhnlicher Salzstreuer. Mein persönlicher Favorit: Kermit der Frosch mit Miss Piggy als zersägte Jungfrau!

Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit der Geschichte Lüneburgs beschäftigt hat, wird mitbekommen haben, welche Rolle das Salz dabei gespielt hat. Begonnen mit der Legende von der Wildsau, die den kostbaren Rohstoff gefunden haben soll bis zum Aufstieg der Stadt im Mittelalter, die dank ihrer Salzquelle zu großem Reichtum gelangte.

Viele Fragen rund ums Salz – und Antworten!

Spätestens an diesem Punkt tut sich aber ganz bestimmt die eine oder andere Wissenslücke auf: Wie konnte eine Stadt eigentlich durch das Salz reich werden? Wir kaufen Salz heute im 500-Gramm-Paket im Supermarkt für wenige Cent. Welche Rolle spielte aber früher das Salz? Auf diese und viele andere Fragen hat das Salzmuseum eine Antwort.

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Der Eingang befindet sich in einem alten Güterwaggon, der vor das Gebäude gesetzt ist. Die Räumlichkeiten sind recht dunkel – so kommen die beleuchteten Schautafeln und Exponate besser zur Geltung und es entsteht eine ganz besondere Atmosphäre, so als befänden wir uns heute noch in einem Salzbergwerk tief unter der Erde. Als erstes aber sticht der monumentale Salzbrocken ins Auge, der kunstvoll illuminiert in Szene gesetzt ist. Er wiegt stolze sechs Tonnen!

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Warum schmecken Tränen salzig? Warum bekomme ich im Krankenhaus eine Kochsalzinfusion? Und warum hängt im Kuhstall ein Salzstein zum Lecken? Bereits der Eingangsbereich überrascht mit zahlreichen interessant aufbereiteten Fakten. Nur drei Prozent des in Deutschland verbrauchten Salzes wird zum Würzen von Speisen verwendet, steht auf einer Tafel. Dabei müsste diese eigentlich schon wieder erneuert werden, erzählt Hilke Lamschus, denn tatsächlich ist es heute wohl nur noch ein Prozent. Der größte Teil geht in die chemische Industrie.

Das Salz und seine Bedeutung in der Geschichte Lüneburgs

Im hinteren Teil des Raumes steigen wir dann tief in die Geschichte Lüneburgs ein. Die Anfänge der Salzgewinnung in der Hansestadt liegen mehr als 1000 Jahre zurück. Im Gegensatz zur bergmännischen Gewinnung, bei der das Salz unterirdisch abgebaut wird, wurde in Lüneburg das Salz aus der Sole gewonnen. Das heißt, das stark salzhaltige Wasser wurde aus einem Brunnen nach oben gepumpt und dort wurde daraus das Salz hergestellt. Da die Salzquelle nur ungefähr 50 Meter unter der Oberfläche lag, hatten die Lüneburger es vergleichsweise leicht. Die Saline, also die komplette Produktionsanlage, muss beeindruckend gewesen sein: Im Jahr 1799 standen rund um den Brunnen 54 Siedehütten. Darin wiederum befanden sich jeweils vier Siedepfannen, in denen aus der Sole durch Erhitzung das fertige Salz gewonnen wurde. Die Anlage war von einer starken Mauer mit hohen Türmen umgeben.

Im 20. Jahrhundert bekam das aus der Sole gewonnene Salz zunehmend Konkurrenz durch Meersalz aus dem Mittelmeerraum. Ich erinnere mich an die Anlage, die ich als Kind einmal im Urlaub auf der Kanareninsel Lanzarote gesehen habe. Bei diesem Prozess wird das Meerwasser in große Salzbecken eingelassen, aus denen dann das Wasser durch Sonneneinstrahlung nach und nach verdunstet. Auch wenn das Meersalz hinterher noch recht aufwändig gereinigt werden muss, war dieses Verfahren offenbar kostengünstiger – was zur Schließung vieler Salinen in Deutschland führte. In Lüneburg war es 1980 soweit.

Industriedenkmal Saline

Das Gelände wurde veräußert und die Erinnerung an diesen so wichtigen Teil der Lüneburger Geschichte drohte zu verblassen. Zum Glück tat sich eine Gruppe engagierter Bürger zusammen und gründete einen Förderkreis für die Erhaltung und Würdigung des Unternehmens – mit Erfolg: Die Saline wurde als Denkmal mit besonderer nationaler kultureller Bedeutung anerkannt. 1983 beschloss der Rat der Stadt Lüneburg, das Industriedenkmal Saline als kommunale Aufgabe zu errichten.

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Auf dem Außengelände kannst Du Dir beim Schau-Salzsieden ein Bild davon machen, wie der Prozess der Salzgewinnung aus der Sole funktioniert.

Wenn Hilke Lamschus aus den Anfängen des Deutschen Salzmuseums plaudert, dann ist das nichts, was sie sich angelesen hat. Die heutige Museumsleiterin war eine Frau der ersten Stunde – auch wenn sie gar keine gebürtige Lüneburgerin ist. Geboren und aufgewachsen in Emden, Ostfriesland, studierte sie in Hamburg Germanistik, Geschichte und Lehramt und war zunächst im Schuldienst tätig. Erst durch ihren Mann, einen gebürtigen Lüneburger, kam sie in die Salzstadt. Gemeinsam und mithilfe zahlreicher Mitarbeiter bauten sie das Museum auf, das schließlich 1989 eröffnet wurde. Die Arbeit machte ihr von Anfang an Spaß und die Ehepartner ergänzten sich hervorragend.

Ein Museum zum Anfassen

„Mein Mann hat den notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund“, erzählt sie. „Aber wenn er eine Schautafel konzipiert hätte, dann hätte die zehn Fußnoten gehabt“. Mit ihrer Erfahrung als Pädagogin gelang es ihr, die Informationen für jedermann verständlich aufzubereiten. Das Museum sollte von Anfang an ein Museum zum Anfassen sein. Bereits zwei Jahre nach seiner Eröffnung wurde das Deutsche Salzmuseum mit dem Museumspreis des Europaparlamentes ausgezeichnet.

Nach diesem Ausflug in die Lüneburger Geschichte gibt es einen Abstecher in den Keller. Hier kannst Du unter anderem ein Modell des 1,3 Kilometer langen Pumpgestänges bestaunen, das von der Ratswassermühle bis zur Saline mitten durch die Stadt führte. Auf diese Weise sollte mithilfe von Wasserkraft die schwere körperliche Arbeit an den Solepumpen erleichtert werden. Auch ein Modell des Brunnenhauses findest Du im Untergeschoss. Das Brunnenhaus selbst, erbaut um 1850, steht bis heute auf dem Gelände. Du findest es, wenn Du das Museum am Ausgang nach links verlässt und am Supermarkt vorbeigehst gleich um die Ecke. Eine aktive Bohrstelle befindet sich übrigens bis heute auf dem Gelände. Von dort aus geht die Sole über eine Leitung zur nicht weit entfernten Salztherme Lüneburg. Aus einem kleinen Abzweiger werden Mengen entnommen, aus denen Salz für museumspädagogische Zwecke gewonnen wird. Und auch kaufen kannst Du das Original Lüneburger Hansesalz an ausgewählten Verkaufsstellen, beispielsweise in der Genusswelt Lüneburg.

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Zum Edeka-Markt nebenan, mit dem sich das Salzmuseum die Fläche des alten Siedehauses aus den 1920er Jahren teilt, hat die Museumsleiterin ein gespaltenes Verhältnis. Zu gerne würde sie das Museum erweitern, das derzeit nur ein Drittel der Gesamtfläche belegt und das aus allen Nähten platzt. Für eine Gastronomie ist kein Platz. An der Kasse kann der Besucher lediglich Mineralwasser erwerben, für alles andere verweisen die freundlichen Mitarbeiter an den großen Nachbarn. Die Beziehung sei gut, betont Hilke Lamschus.

30-jähriges Jubiläum im September

Wenn das Salzmuseum am 7. September sein 30-jähriges Bestehen feiert, übernimmt der Edeka-Markt das Catering. Noch 2013 gab es Pläne für einen Umzug des Marktes auf das Postgelände. Dann wäre der Weg frei gewesen für eine Erweiterung des Museums. Aber es gab viel Kritik an diesen Plänen und so zog sich der Prozess hin. So lange wollte Edeka-Geschäftsführerin Meike Bergmann nicht warten und modernisierte kurzerhand ihren Laden. Nun rückt ein Umzug in weite Ferne. Dennoch wird auch das Museum im nächsten Jahr mit einer Sanierung beginnen. Dazu werden zunächst die Büroräume in den benachbarten Eselstall umziehen, in dem sich derzeit noch die Sonderausstellung über die 1950er Jahre befindet. Der Eintritt in diese Sonderausstellung ist im Museumseintritt enthalten.

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Auf der Rückseite des Gebäudes kann man noch gut erkennen, dass es sich um eine alte Fabrikhalle handelt.
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Im benachbarten Eselstall (hinteres Gebäude) befindet sich zur Zeit noch die Sonderausstellung zum Thema 1950er Jahre.

Ich fürchte, irgendwann auf dem Rundgang habe ich die Orientierung verloren. Das Museum ist wesentlich umfangreicher als ich es mir vorgestellt hatte. Und Hilke Lamschus hat einfach so viele interessante Fakten und Geschichten zu erzählen! Man merkt ihr einfach an, dass es „ihr Baby“ ist. In zwei Jahren wird sie ihrem Mann in den Ruhestand folgen. Wie wird es dann wohl weitergehen?

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Im rekonstruierten alten Siederaum demonstriert die Museumschefin die Arbeit an den Siedepfannen. Weiter geht es zur letzten erhaltenen Siedepfanne, die deutlich größer ist als die älteren Modelle. Die Anlage, die noch funktionsfähig ist, leitet über in das Thema „Verpackung und Transport“.

Zum Ende des Rundgangs befassen wir uns noch mit Salzherstellung und -verwendung in der ganzen Welt. Allen Shitstorms zum Trotz ist dort immer noch der sogenannte „Negerbeutel“ ausgestellt – so nannten die Lüneburger früher die Salzsäcke für den Versand nach Westafrika. Political correctness hin oder her – wenn das nun mal damals der Sprachgebrauch war, sollte man das Kind auch beim Namen nennen dürfen.

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Auch die bekannten Salzletten wurden mit Lüneburger Salz hergestellt.

Falls Du jetzt ein bisschen den Überblick verloren hast, dann schnapp Dir bei Deinem Besuch am besten einen Audio-Guide. Der wurde übrigens von zwei bekannten Lüneburger Moderatoren eingesprochen: Kirsten Rinke habe ich Dir bereits bei meinem Beitrag über Radio ZuSa vorgestellt. Und den männlichen Part spricht ffn-Moderator Kai Rake. Dessen Sprösslinge wiederum kannst Du auf der Kinderversion des Audio-Guides hören. Das handliche Gerät im Smartphone-Format wird einfach ans Ohr gehalten und an den einzelnen Stationen vor sogenannte Andockpunkte gehalten. So erhältst Du immer genau die Information zu dem Exponat, vor dem Du gerade stehst.

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Auf dieser interaktiven Schautafel kannst Du sehen, wie überall auf der Welt Salz gewonnen und verwendet wird. Lege einfach Deine Hand auf die Salzblöcke!

Habe ich Dich neugierig gemacht? Dann nichts wie los zum Museum! Es ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Tiere sind leider nicht erlaubt (mit der Ausnahme von Begleithunden). Dafür habe ich aber vollstes Verständnis, denn die Räumlichkeiten sind begrenzt und bei 60.000 Besuchern im Jahr kann es schon einmal voll werden.

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6 Kommentare zu „Das Salz in der Suppe der Lüneburger Museen

  1. Interessant, was es alles im Flachland gibt. Das dürfte zum Teil erklären, warum dort so wenig des eigentlich natürlichen Waldbestandes geblieben ist, denn auch die werden schlichte Holzfeuer genutzt haben. Was wir dann heute als künstlich erzeugte Heidelandschaft nicht als kultur- sondern als naturschutzwürdig erhalten, was freilich ein neues Thema wäre. Nämlich dass wir tatsächliche Naturprodukte gar nicht mehr erkennen. – was das Salz angeht: wer nicht nach Bayern kommt, muß es ja auch nicht mitbekommen, aber die (ebenfalls im Flachland gelegene) heutige Hauptstadt dort wurde gegründet, um die Transportsteuer teurer Produkte, insbesondere des in den nahegelegenen Bergen abgebauten Salzes, abzugreifen. Welche Berge, welches Salz? Nun, die Gegend in Österreich heißt heute noch das Salzkammergut. Und Bad Reichenhall dürfte vielen von Salzpäckchen her ein Begriff sein. Und da kann man dann Salzbergwerke besichtigen, u.a. auf Rutschen geht’s in die Tiefe.

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  2. Ein sehr toller Bericht und eindrucksvolle Geschichte aber auch ich möchte darauf hinweisen, dass es noch viele andere „würzige“ Gebiete in Deutschland gibt – vor allem auch Rheinland Pfalz. Wir haben es in der Eifel jetzt nicht unbedingt mit dem Salz zu tun und ich spiele mit meinem Feedback auch lediglich auf Ihren „Einstieg“ in den Bericht an. Aber ohne die heiße, brodelnde Eifel mit ihrer einmaligen Vulkanlandschaft bekäme man kein Süppchen gekocht 😉 Liebe Grüße direkt aus dem Kochtopf 😉

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    1. Danke für den Hinweis 😊 Sicherlich könnte man das Thema breiter aufstellen, aber in meinem Blog soll es ja in erster Linie um Lüneburg gehen. Ich habe nichts gegen Rheinland-Pfalz 😉 es ist ja nur ein Zitat aus dem Lüneburg-Lied. So hat doch jede Stadt oder Gegend ihre Hymne, und da wird auch immer gerne zu allen Seiten ausgeschlagen, ohne dass es ernst oder böse gemeint wäre 😊

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