Das alljährliche Heideblütenfest in Amelinghausen steht wieder vor der Tür. Im vergangenen Jahr habe ich eine Fahrradtour mit einem Kurzbesuch dort verbunden. Erst später entstand dieses Blog. Ich hatte aber damals schon das Bedürfnis, darüber zu schreiben. Dabei herausgekommen ist dieser kleine Erlebnisbericht, den ich Euch nicht vorenthalten möchte.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin Hobby-Radfahrerin, nicht Profi-Sportlerin. Mein Fahrrad würde man wohl neudeutsch als Trekkingrad bezeichnen. Wobei ich keine Ahnung hatte, was man darunter versteht, als ich das Rad vor ungefähr sechs Jahren erwarb. Jedenfalls zeichnet es sich durch eine ganz passable Federung und eine Sieben-Gang-Schaltung aus, immerhin. Normalerweise nutze ich mein Fahrrad, um von A nach B zu fahren. Zum Einkaufen beispielsweise, oder zu einer Party, auf der ich ein Gläschen mehr trinken möchte, als es die Promillegrenze für Autofahrer erlaubt. Ja, ich weiß, auch für das Fahrradfahren gibt es eine Promillegrenze, aber 1,6 – das muss man erstmal schaffen.
Bei halbwegs gutem Wetter und einigermaßen warmen Temperaturen reizt es mich aber doch hin und wieder, eine kleine Fahrradtour zu unternehmen. Damit meine ich eine Strecke von ungefähr 40 bis 50 Kilometern, mehr lässt meine momentane körperliche Verfassung nicht zu. Und ich bezweifle, dass sich das noch einmal ändert, denn ich habe in diesem Sommer meinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert.
Das Heideblütenfest ist eine große Sache
Im April sind mein Mann und ich von Hamburg nach Lüneburg gezogen. Raus aus der großen Hansestadt, rein in die kleine Hansestadt. Nachdem wir in den ersten Monaten langsam die Stadt erkundet hatten, wollten wir nun endlich einmal raus in die Lüneburger Heide. Wer aufmerksam die lokale Presse verfolgt und schon einmal in einen Reiseführer geschaut hat, der weiß, dass das Heideblütenfest in Amelinghausen eine große Sache ist. Die Krönung der neuntägigen Feierlichkeiten Mitte August ist im wahrsten Sinne des Wortes die Wahl der Heidekönigin mit dem anschließenden Festumzug. 1990 war übrigens die Schauspielerin Jenny Elvers die Auserwählte.
Eine Radtour macht bekanntlich mehr Spaß, wenn man ein konkretes Ziel hat. Und irgendwo sollte es immer die Möglichkeit zur Einkehr geben, das versteht sich von selbst. So nahmen wir den letzten Tag des Heideblütenfestes zum Anlass für eine Fahrradtour von Lüneburg ins ungefähr 20 Kilometer entfernte Amelinghausen. Mit dem Fahrrad empfiehlt es sich allerdings nicht, die kürzeste Route zu nehmen. Folgt man dem Lüneburger Heide-Radweg, hat eine Strecke knapp 28 Kilometer. Dabei wird man dann aber auch größtenteils von allzu viel Kraftfahrzeugverkehr verschont und fährt dennoch auf gut ausgebauten asphaltierten Straßen und Wegen.
Von der Lüneburger Innenstadt fahren wir zunächst in Richtung Südwesten. Vorbei am Biergarten „Schröder’s Garten“ – für eine Einkehr ist es nun wirklich noch zu früh – gelangen wir in den Stadtteil Oedeme. Von dort aus geht es weiter nach Heiligenthal, wo die Wassermühle mit Hotel, Restaurant und Biergarten auch sehr einladend aussieht. Aber wir wollen ja noch weiter, und am Himmel ziehen bereits dunkle Wolken auf. Die Strecke von Heiligenthal bis Südergellersen ist besonders reizvoll. Die Straße ist so wenig befahren, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, den separaten Radweg zu benutzen, bis uns ein Autofahrer hupend daran erinnert. Mal radeln wir durch dichte grüne Wälder, dann wieder vorbei an gelben Getreidefeldern. Am Wegrand entdecke ich erste kleine Büsche des bekannten lilafarbenen Heidekrauts.
Für norddeutsche Verhältnisse sind die Höhenunterschiede gar nicht so ohne – obwohl die höchste Erhebung in der Lüneburger Heide – der Wilseder Berg – nur 169 Meter über dem Meeresspiegel liegt.

Alle sieben Gänge meines Fahrrads kommen zum Einsatz. Im ersten Gang quäle ich mich so manchen Hügel hoch, und das bei heftigem Wind. Aber das Gefühl, dann wieder bergab zu sausen, ist unbeschreiblich. Ich fühle mich wie Leonardo di Caprio am Bug der Titanic, möchte meine Arme ausbreiten und „Ich bin der König der Welt“ rufen. Ich tue es nicht, die Vernunft siegt. Mein Mann hat gerade erst langsam die Folgen seines Skiunfalls – Bruch des Sprunggelenks mit Bänderriss – überwunden. Und ich sehe Meg Ryan vor mir, wie sie in „Stadt der Engel“ liebestrunken freihändig auf dem Fahrrad die Serpentinen entlangdüst und von einem LKW erfasst wird. Das Leben ist auch schön, wenn man sich mit beiden Händen am Lenkrad festhält. Und ich habe noch viel vor in diesem Leben.
Stattliche Schweine und glückliche Kühe. Und natürlich Heidschnucken.
Auf der Etappe von Südergellersen nach Wetzen lässt es sich leider nicht vermeiden, eine viel befahrene Straße ohne Radstreifen zu nehmen. Erst hinterher lese ich in meinem Radtourenbuch, dass die Strecke von Heiligenthal über Kirchgellersen und Westergellersen nach Wetzen nur zwei Kilometer länger und wesentlich angenehmer gewesen wäre. Kurz hinter Wetzen müssen wir uns unterstellen und wohl oder übel die Regenjacken anziehen.

In Oldendorf hätte ich gerne den einen oder anderen Fotostopp eingelegt. Hinter einem einfachen Holzzaun entdecke ich stattliche Schweine, die aussehen, als dürften sie hier noch ein gewisses Alter erreichen, bevor sie im benachbarten Restaurant auf dem Teller landen. Auf der Wiese nebenan haben es sich drei prachtvolle Kühe im saftig grünen Gras bequem gemacht. Und auch hier gibt es eine Wassermühle. Aber das schlechte Wetter treibt uns weiter, in der Hoffnung auf ein trockenes Plätzchen und ein frisch gezapftes Bier. Daher lassen wir auch die Oldendorfer Totenstatt aus, wo es gut erhaltene Megalithgräber geben soll.
Auch diese Bilder entstanden – wie man unschwer erkennen kann – im Winter.
Kurz vor Amelinghausen finden wir uns ganz plötzlich mitten in der Heide, so wie man sie aus den alten Heimatfilmen kennt. Die Wege durch die Heidelandschaft sind an dieser Stelle allerdings nur für Fußgänger zugelassen. Überdachte Picknickbänke aus Holz laden zum Verweilen ein. Ein andermal sehr gerne.
Ü70 Party im Biergarten
Als wir schließlich Amelinghausen erreichen, ist die Wahl zur Heidekönigin gerade beendet. Die Besucher verlassen in Scharen den etwas außerhalb gelegenen Festplatz auf dem Kronsberg und machen sich auf den Weg in den Dorfkern. Dort sollen um 15 Uhr ein Volkslauf und um 16 Uhr der Festumzug stattfinden. Einige Zuschauer haben sich bereits am Straßenrand auf Plastikstühlen und Rollatoren postiert. Der Regen hat aufgehört und der Biergarten eines gutbürgerlichen Gasthauses lockt mit Weizenbier vom Fass, der halbe Liter für 3,90 Euro. Die Rollatorendichte erschlägt uns allerdings. Mit unseren 50 beziehungsweise 58 Jahren könnten wir hier den Altersdurchschnitt locker um zehn bis 20 Jahre senken. So schlagen wir uns schließlich weiter durch zum Ende des Dorfkerns, wo es die für ein Volksfest typischen Ess- und Trinkstände, Losbuden und Karussells gibt. Dort entscheiden wir uns dann doch lieber für ein frisch gezapftes Pils anstelle von Weizenbier aus der Flasche. Die Getränkepreise sind hier nur geringfügig höher. Gerade rechtzeitig vor dem nächsten Regenguss ergattern wir ein trockenes Plätzchen unter dem Hüttendach. Zwischendurch ein kurzer Sprint zum benachbarten Pommes-Frites-Stand und hinterher ein Heidegeist (Kräuterschnaps mit einem Alkoholgehalt von 50% vol.) zum Verdauen, soviel Brauchtum muss sein.
Der Beginn des Umzugs verzögert sich noch ein wenig. Die meisten Besucher stört das nicht, sie bestellen sich ein weiteres Getränk. Der prachtvoll mit Heidekraut und Dahlien geschmückte Prunkwagen der frischgebackenen Heidekönigin führt den Zug an. Königin Anika trägt eine Krone, natürlich aus Heidekraut, und scheint noch etwas eingeschüchtert. Einsilbig antwortet sie auf die Fragen des Moderators, der ihr das Mikrofon vor die Nase hält.

Die nachfolgenden Wagen und Fußgruppen müssen den Umzug leider ohne uns fortsetzen. Es zieht uns zurück nach Hause ins vergleichsweise städtische Lüneburg. Und schließlich haben wir noch fast zwei Stunden Fahrt vor uns. Auf dem Rückweg bleibt es trocken, aber weiterhin sehr windig. Das Gesäß beginnt zu schmerzen, und auch die Beine werde ich morgen spüren, soviel steht fest. Mein Mann hat da, trotz seiner unfallbedingten Sportpause, definitiv eine bessere Grundkondition. Aber auch an ihm geht diese Tour nicht ganz spurlos vorbei.
Fazit: Eine schöne Strecke für eine Radtour, mit oder ohne Heideblütenfest. Zum Weizenbiertrinken kommen wir dann später einmal wieder – vielleicht so in zwanzig Jahren, dann wahrscheinlich mit dem Reisebus.
Informationen: Die Strecke ist teils gut, teils weniger gut ausgeschildert. Eine durchgängige Beschilderung des Lüneburger Heide-Radwegs gibt es leider nicht. Das bikeline Radtourenbuch „Lüneburger Heide-Radweg“ ist hilfreich. Die Strecke zwischen Amelinghausen und Lüneburg ist Teil des insgesamt fast 900 Kilometer langen Lüneburger Heide-Radwegs beziehungsweise des 213 Kilometer langen Teilstücks von Celle nach Lüneburg. Das Buch lässt sich aber auch für kurze Etappen gut nutzen, liefert Informationen über die Beschaffenheit der Strecke sowie Wissenswertes über die Region. Es ist aus einem wetterfesten und strapazierfähigen Material und aufgrund der Buchform mit Spiralbindung während der Fahrt einfacher zu handhaben als eine Karte.
Nachtrag: Alteingesessene Amelinghausener und Fans des Heideblütenfestes mögen mir meine leicht ironisch-kritische Berichterstattung nachsehen. Ich möchte damit keinesfalls die Bemühungen der einzelnen Gruppen schmälern, die viel Arbeit in ihre prunkvoll geschmückten Festwagen stecken. Einen etwas „neutraleren“ Bericht des Festumzuges 2017 sowie alle Informationen über das diesjährige Heideblütenfest findest Du auf dem Blog Sonnenfernweh meiner Bloggerkollegin Kerstin Paar.
Sehr amüsant geschrieben, hat mir gefallen :-D;-)
Eva
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Danke, das freut mich 😊
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