Es kann sein, dass ich heute ein wenig sentimental werde. Es mag an dieser trüben Jahreszeit liegen. Der Sommer ist nun endgültig vorbei und die Vorweihnachtszeit hat noch nicht begonnen. Die Tage werden deutlich kürzer und nächste Woche, nach der Zeitumstellung, wird es so richtig früh dunkel. Wie gut, dass uns in dieser Zeit hier und da ein Licht leuchtet: seien es die Laternen, die die Kinder bei den Umzügen durch die Stadt tragen, oder die ausgeschnitzten Kürbisse, die zu Halloween von innen mit einer Kerze erleuchtet werden.
Ich gehöre weiß Gott nicht zu den Menschen, die ihre Kindheit glorifizieren oder sagen „früher war alles besser“. Aber wenn ich mich an die Laternenumzüge meiner Kindheit erinnere, bekomme ich feuchte Augen. Ich komme ja aus einer katholisch geprägten Gegend, und wir feierten Sankt Martin am 11. November. Zur Erinnerung: Das ist der Namenstag des heiligen Martin. Genauer gesagt feiern wir Martin von Tours, einen französischen Bischof, der im 4. Jahrhundert lebte. Der Legende nach soll er als Soldat auf einem Pferd unterwegs gewesen sein und vor den Toren der Stadt auf einen armen, unbekleideten Mann getroffen sein. Mit seinem Schwert soll er daraufhin seinen Mantel geteilt haben und dem Mann eine Hälfte abgegeben haben. In meiner christlichen Erziehung habe ich immer gelernt, wie wichtig teilen ist. Und ist das Thema nicht heute aktueller denn je? Beim Martinsumzug wurde die Geschichte dann auch immer nachgespielt: Ein Mann auf einem Pferd, der seinen Mantel zerteilte und die Hälfte einem Bettler gab. Der Reiter führte den Umzug an und wir Grundschulkinder folgten mit unseren Laternen. Begleitet vom örtlichen Spielmannszug taten wir unser Bestes, die Martinslieder mitzusingen. „Ich geh mit meiner Laterne“ oder „Laterne, Laterne“ kennst Du vielleicht. Aber es gibt auch ein Lied, das die Geschichte des heiligen Martin erzählt*.
Hinterher gab es für alle Kinder eine Tüte mit einem Weckmann, den Du vielleicht unter der Bezeichnung Stutenkerl kennst, sowie Obst und Süßigkeiten. Danach zogen wir mit unseren Laternen von Haus zu Haus – so, wie es heute die Kinder zu Halloween tun – und sangen Martinslieder. Und bekamen noch einmal Süßigkeiten. Mein Vater war da immer streng: ein bisschen Mühe geben mussten sich die Kinder schon beim Singen, sonst gab es nichts. Irgendwie finde ich das sympathischer als „Süßes oder Saures“, wie es zu Halloween gesagt wird. Aber natürlich bin ich auch auf Halloween (31. Oktober) vorbereitet und habe ein paar Süßigkeiten im Haus, damit mir die Kinder bloß keinen Streich spielen! Eigentlich feiern wir ja am 31. Oktober auch noch das Reformationsfest. Aber das geht in diesem Jahr aufgrund des 500-jährigen Jubiläums und des damit verbundenen Feiertages ganz sicher nicht unter. Dass auch Luther mit Vornamen Martin hieß, ist übrigens kein Zufall: Er wurde am 10. November geboren und am 11. November auf den Namen des Tagesheiligen getauft.

Nun habe ich mich einmal schlau gemacht, wie es in Lüneburg mit den Laternenumzügen aussieht. Die ersten im Umland habe ich offensichtlich schon verpasst, aber an diesem Wochenende geht es auch hier in der Stadt los:
- Am Freitag, d. 27. Oktober um 17 Uhr findet das 4. Lichtermeer Lüneburg statt, das von pro inclusion e.V. veranstaltet wird. Treffpunkt ist Holz-Herbst am Ilmenau Center.
- Der Laternenumzug der Feuerwehr Lüneburg-Mitte, einer der größten der Stadt, findet am Freitag, d. 3. November um 18.30 Uhr statt und beginnt am Feuerwehrhaus Lüneburg-Mitte, Lise-Meitner-Straße 12.
- Der MTV Treubund veranstaltet „Lüneburgs längsten Lichterwurm“ am Samstag, d. 4. November. Um 17.30 Uhr ist Abmarsch am Sportpark Uelzener Straße.
- Die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden Lüneburgs veranstalten einen ökumenischen Laternenumzug. Dieser findet am Freitag d. 10. November um 17 Uhr statt und beginnt, der christlichen Tradition folgend, mit einem kleinen Martins-Spiel vor St. Johannis, Am Sande. Auch dieser Umzug wird sicher eine größere Veranstaltung.
- Besonders gefreut habe ich mich, dass auch bei uns im Hanseviertel ein Umzug stattfindet. Dieser wird vom THW veranstaltet und findet am Samstag, d. 11. November – dem eigentlichen Martinstag – statt. Treffpunkt um 17 Uhr ist der Spielplatz Tartuer Straße.
Sicherlich ist meine Liste nicht vollständig. Und natürlich gibt es noch eine Menge weiterer Umzüge im Umland. Traditionell werden die Kinder (und Eltern) von einem oder mehreren Spielmannszügen begleitet und am Ende ist für das leibliche Wohl aller Beteiligten gesorgt.
Und noch ein bisschen Nostalgie: Wir bastelten damals Laternen aus Käseschachteln. Man brauchte also diese Pappschachteln, in denen die Schmelzkäseecken waren (Milkana?). Die bekam man bei der „Milchfrau“ – ja, wir hatten noch so eine Art rollenden Supermarkt. Wahrscheinlich verkaufte sie die Schmelzkäseecken einzeln und hatte daher die Schachteln übrig. Unter- und Oberteil dienten dann als Boden und Deckel der Laterne und dazwischen wurde Pergamentpapier geklebt, das vorher in irgendeiner Art und Weise künstlerisch gestaltet worden war: bemalt, beklebt, wie auch immer. Aha, Käseschachteln gibt es heutzutage in Bastelbedarfsläden, lese ich in einer Bastelanleitung im Internet. Immerhin, die Idee lebt. Nun bin ich gespannt auf die Laternen der Kinder hier im Hanseviertel – mal sehen, wie viele selbst gebastelt sind und wie viele gekauft. Tränen in den Augen werde ich auf jeden Fall haben, wenn die Zwerge mit ihren Lichtern an mir vorbeiziehen und schräge Töne singen.

In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Spaß und ein wenig Besinnung in dieser Vor-Vorweihnachtszeit!
*Sankt Martin
Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind,
Sein Ross, das trug ihn fort geschwind.
Sankt Martin ritt mit leichtem Mut,
Sein Mantel deckt‘ ihn warm und gut.
Im Schnee saß, im Schnee saß,
Im Schnee, da saß ein armer Mann,
Hatt Kleider nicht, hatt Lumpen an.
„O helft mir doch in meiner Not,
Sonst ist der bitt’re Frost mein Tod!“
Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin zog die Zügel an,
Sein Ross stand still beim armen Mann.
Sankt Martin mit dem Schwerte teilt
Den warmen Mantel unverweilt.
Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin gab den halben still:
Der Bettler rasch ihm danken will
Sankt Martin aber ritt in Eil
Hinweg mit seinem Mantelteil.
(Quelle: Wikipedia)

Titelbild: S. Hofschlaeger/pixelio.de
Vielen Dank für den Bericht. Ich bin ein “ Mädchen“ vom Niederrhein und möchte noch hinzufügen, dass in Kempen am Niederrhein der größte und, so sagt man, schönste St.- Martinszug stattfindet und zwar am Martinsabend, 10. November. Tausende von Besuchern säumen die Straßen. Übrigens soll die Sankt-Martin-Tradition jetzt immaterielles UNESCO Weltkulturerbe werden. Einwohner aus Brüggen am Niederrhein haben den entsprechenden Antrag eingereicht, um die rund 150-jährige Tradition zu schützen. Die Entscheidung soll Mitte nächsten Jahres fallen. Jetzt lasst euch alle die Weckmänner/Sutenkerle schmecken. ich habe gerade einen verputzt….. Grüße vom Niederrhein von Beate
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