Dass Studenten gerne und viel Kaffee trinken, ist ein weitverbreitetes Gerücht. Wahr hingegen ist, dass Studenten immer schon ganz vorne dabei waren, wenn es um politisches und soziales Engagement ging. Da machen auch die Lüneburger Leuphana-Studenten keine Ausnahme. Ein Beispiel dafür ist das Avenir in Lüneburg. Die Kombination aus Laden und Café liegt in der Katzenstraße, nur ein wenig abseits der Schröderstraße und der Straße an der Münze. An einem Samstagmittag treffe ich hier Luise (24) und Kristin (32), die mir bei einem köstlichen Bergtee mehr über das Projekt erzählen wollen.
Es begann 2011 mit der Vision einer Studenten-WG, den Absatz von fair gehandeltem Kaffee in Lüneburg zu steigern. Der Lünebohne e.V. war geboren. Tatsächlich war ich auf der Suche nach einem fair gehandelten und möglichst lokal produzierten Kaffee bereits vor zwei Jahren auf den Lünepresso gestoßen, den ich bei Edeka Bergmann im Loewe-Center fand. Wir sind seitdem dabei geblieben, weil er uns einfach schmeckt. Jetzt weiß ich, dass ich ihn auch direkt im Avenir-Laden kaufen kann – und dazu noch viele weitere tolle Produkte!
Die Idee des fairen Handels ist nicht neu. Bereits Ende der 1960er Jahre wurde in Deutschland die erste Initiative gegründet, die es sich auf die Fahnen geschrieben hatte, Kleinbetriebe in Afrika, Asien und Lateinamerika zu fördern. In den 1970er Jahren schossen Dritte-Welt-Läden wie Pilze aus dem Boden und fair gehandelte Produkte, angefangen mit Kaffee, erhielten Einzug in den Einzelhandel. Es war irgendwie ein gutes Gefühl. Man konnte plötzlich etwas mehr tun, um das Elend in den ärmeren Teilen der Welt zumindest ein bisschen zu lindern, als „einfach nur“ spenden. Heute heißen solche Läden nicht mehr Dritte-Welt sondern Eine-Welt-Läden – wer will sich schon anmaßen, zu behaupten, dass wir in der Ersten Welt leben? Und wo bitteschön wäre dann die Zweite?
Frieden, Umwelt und Gerechtigkeit im Heinrich-Böll-Haus
Die El Puente GmbH, gegründet 1972 in Hildesheim, war einer der Vorreiter für den fairen Handel in Deutschland. Und genau hier kommt die Lünebohne her. Aus der gemeinsamen Arbeit im Lünebohne e.V. entstand schließlich der Wunsch, in Lüneburg ein Café zu eröffnen, um den fairen Kaffee gleich auszuschenken. Wie es der Zufall wollte, wurde im Heinrich-Böll-Haus ein Ladenlokal frei, in dem sich vorher ein Eine-Welt-Laden befunden hatte. Besser hätte es nicht kommen können, denn das Heinrich-Böll-Haus, so lerne ich an diesem Tag, ist ein Haus, in dem viele Initiativen untergebracht sind. Sie alle engagieren sich für Frieden, Umwelt und Gerechtigkeit – ganz im Sinne des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Heinrich Böll. So befinden sich dort beispielsweise auch die Lüneburger Büros von Greenpeace, Unicef und dem AdFC.
Mit dem Kaffee fing alles an. Heute findest Du im Laden darüber hinaus auch Craft Beer, Wein, Kakao, Tee und Schokolade sowie ausgewählte Spirituosen und Erfrischungsgetränke. Im Café werden die oben genannten Getränke ausgeschenkt, dazu gibt es hausgemachten Kuchen und kleine Speisen. Max, einer der fünf Begründer von Lünebohne e.V., war übrigens selbst schon in Ruanda und hat sich von den fairen Arbeitsbedingungen vor Ort überzeugt. Damit aber noch nicht genug: Mittlerweile röstet er sogar selbst beim Kaffeeröster Quijote in Hamburg. Das Ergebnis: eine ganz persönliche Eigenröstung für das Avenir. Und die Handelsphilosophie von Quijote geht sogar noch über die Fairtrade-Standards hinaus.
Vier Kriterien für die Produkte
Luise erklärt mir, dass die Produkte im Avenir mindestens einem der folgenden vier Kriterien genügen müssen:
- Regional
- Handwerklich gefertigt
- Fair gehandelt
- Bio bzw. ökologisch
„Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn alle vier Kriterien erfüllt würden“, erzählt Luise, aber das sei nicht immer möglich. So gebe es ja beispielsweise durchaus gute deutsche Weißweine, aber bei den Rotweinen müsse man schon in die benachbarten weiter südlich gelegenen Länder Europas ausweichen. Und die Dänen stellten einfach das beste Craft Beer her. Luise ist gelernte Tischlerin und arbeitet derzeit auf 20-Stunden-Basis im Avenir. Sie hat sich eine einjährige Auszeit genommen, um herauszufinden, wie es beruflich für sie weitergehen soll. Im Herbst wird sie ihr Studium der sozialen Arbeit aufnehmen. Auch mit Wein kennt sie sich aus: Ihr Großvater war Weinküfer. So kommt es, dass es nun neben den jeden Freitag stattfindenden Craft Beer-Abenden in Zukunft auch regelmäßige Weinverkostungen geben soll.
„Woher der Name „Avenir“? frage ich Kristin, ebenfalls Gründungsmitglied des Lünebohne e.V. Auch wenn sie schon lange nicht mehr studiert, ist sie immer noch dabei. „avenir“ kommt aus dem Französischen und heißt ankommen. Daher suggerierte der Name bei mir zunächst eher einen Treffpunkt für Geflüchtete. „L’Avenir“ heißt aber auch Zukunft, und darum geht es ja bei den Produkten eigentlich: eine Zukunft beispielsweise für die Beschäftigten in den Kaffeeplantagen und ihre Familien und eine Zukunft für unser Land und unseren Planeten. Und so passt beides: wer ins Avenir geht, soll ankommen, sich wohlfühlen und dabei an die Zukunft denken. Viele Freundschaften seien hier entstanden, erzählt Kristin. Sie wohnt und arbeitet mittlerweile in Hamburg, hat aber in Lüneburg immer noch „ein halbes WG-Zimmer“ mit einem ihrer Avenir-Kollegen. Man spürt, dass Ihr das Projekt immer noch am Herzen liegt.
Hier fühlen sich nicht nur Studenten wohl
Dass im Avenir nicht nur Studenten ein- und ausgehen, davon kann ich mich an diesem Samstag überzeugen. Es ist aber auch wirklich sehr gemütlich hier. Beide Räume – Café und Ladenlokal – sind nicht groß, und die Möglichkeiten für Veränderungen in dem denkmalgeschützten Haus begrenzt. Doch im Team gibt es kreative Köpfe und handwerkliche Profis. Max beispielsweise ist Holzingenieur und hat im Café ein Podest aus Holz eingebaut. So entstanden zusätzliche Sitzplätze und die Kellertreppe wurde geschickt versteckt. Im Ladenlokal zeichnet Tischlerin Luise für die Stehtische verantwortlich. Die Tische im Café wurden in einer Behindertenwerkstatt angefertigt.
Wenn Du also das nächste Mal in Lüneburg unterwegs bist und einen Kaffee trinken möchtest, dann schau doch einfach mal herein. Oder Du kommst gleich zum Craft Beer-Abend am Freitag. Meinen Kaffee kaufe ich auf jeden Fall ab sofort nur noch hier. Ach ja, und von dem köstlichen Bergtee muss ich beim nächsten Mal auch unbedingt etwas mitnehmen.
Die Website ist übrigens sehr informativ. Aktuelle Termine findest Du allerdings am besten auf Facebook.
Wieder mal ein toller Beitrag! Und eine tolle Initiative! Macht Lust auf den so lange verschobenen Lüneburg Besuch!
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