1967, also im Jahr meiner Geburt, begründete meine Heimatstadt Lobberich eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Caudebec-en-Caux. Städtepartnerschaften kamen nach dem Zweiten Weltkrieg schwer in Mode. Sie sollen bis heute der Völkerverständigung und dem kulturellen aber auch wirtschaftlichen Austausch dienen. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs gewannen sie noch einmal ganz neu an Bedeutung.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang lediglich an zwei Dinge: In einem Neubaugebiet von Lobberich entstand der Caudebec-Ring, den kaum jemand korrekt aussprechen konnte. Meine Mutter, die Französisch sprach, rümpfte dann immer die Nase. Eines Tages kam ein Knabenchor aus der Partnerstadt zu Besuch. Meine Eltern meldeten sich freiwillig, einen der Jungen für ein paar Tage bei sich aufnehmen. Es wurde eine Desaster. Ich sprach zum damaligen Zeitpunkt noch kein Französisch. Aber auch die Sprachkenntnisse meiner Mutter konnten nicht verhindern, dass der äußerst lebendige Zehnjährige unser Haus auf den Kopf stellte. Als Andenken behielten wir eine Schallplatte mit Aufnahmen des Chores. Die kleinen Bengel sangen wie die Engel.
Ich weiß nicht, warum ich in diesen Tagen daran denken muss. Wie auch immer, ich habe diese Anekdote zum Anlass genommen, einmal die Städtepartnerschaften meiner neuen Heimat Lüneburg unter die Lupe zu nehmen.
Bereits als eifrige Zuschauerin der 13. Staffel von Rote Rosen (ich wäre doch so gerne Komparsin gewesen, als Cheryl Shepherd noch dabei war!) begegnete ich der Städtepartnerschaft Lüneburgs mit dem japanischen Naruto. Ich dachte zunächst, die existiere nur in der Serie, aber dann stellte ich fest, dass das Naruto-Schild am Marienplatz, gleich hinter dem Rathaus, nicht bloß Kulisse ist.
Scunthorpeplatz und Naruto-Straße
Nicht nur in Lobberich, auch in Lüneburg werden Straßen und Plätze gerne nach den Partnerstädten benannt. Und so machte man auch hier nicht Halt vor dem Scunthorpeplatz. Die Partnerschaft mit der Industriestadt Scunthorpe war die erste, die Lüneburg 1960 begründete. Ich muss sofort an Loriot und Evelyn Hamann’s englische Ansage denken.
Bereits 1974 folgte Naruto. In der Stadt auf der Insel Shikoku gibt es sogar ein Deutsches Haus, das als Museum und Ort der Begegnung dient. Denn hier war nach dem Ersten Weltkrieg ein Gefangenenlanger für deutsche Soldaten. Diese Partnerschaft wird recht intensiv gepflegt. Bereits zum 22. Mal reist in diesem Jahr eine Lüneburger Freundschaftsdelegation nach Japan. Ein erster, unverbindlicher Informationsabend zu der Reise, die Ende September startet, findet am 22. März im Huldigunssaal des Rathauses statt. Es gibt auch ein ganz nettes Blog Flaschenpost aus Naruto, das aber leider seit Juni 2016 nicht mehr ergänzt wurde. Und natürlich haben wir auch eine Naruto-Straße.
Nur ein Jahr später folgte die Partnerschaft mit dem französischen Clamart, an die der Clamart-Park erinnert. Die Stadt liegt südwestlich von Paris, nicht weit von der Hauptstadt. Interessant, dass auch Scunthorpe und Clamart eine Städtepartnerschaft miteinander pflegen. Fast wie im richtigen Leben.
1988 kam Ivrea hinzu, eine kleine Stadt in Norditalien. Und 1992 folgte das dänische Viborg.

Estland – die Hochburg der Digitalisierung
Bei der estnischen Stadt Tartu, mit der Lüneburg seit 1993 eine Partnerstadt pflegt, wird es wieder spannender. Denn jetzt weiß ich, warum es hier im Hanseviertel die Tartuer Straße gibt. Ich hörte auch schon Menschen, „Tartür Straße“ sagen, da rümpfe ich dann die Nase. Da im Hanseviertel alle Straßen nach Hansestädten und ehemaligen Bürgermeistern benannt sind, muss es sich ebenfalls um eine Hansestadt handeln. Wie es der Zufall will, ist Andrus Ansip, einst Bürgermeister von Tartu und heute Vizepräsident der EU-Kommission, am 21. März 2018 zu Besuch in Lüneburg. Zu der Veranstaltung zum Thema Digitalisierung, die in der Leuphana-Universität stattfindet, kannst Du Dich hier anmelden. Estland hat eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung: Seit dem Jahr 2000 gibt es ein garantiertes Recht auf Internet. Im ganzen Land gibt es kostenlose Hotspots, die 99 Prozent der Fläche abdecken. Alle Schulen sind online und Estland verfügt über die meisten Internetanschlüsse pro Kopf. Und da lese ich gerade, dass in Deutschland nicht einmal alle Lehrer dienstliche Mailadressen haben.
Ziemlich gute Freunde: Kulmbach und Köthen
Neben den Partnerschaften mit Städten im Ausland gibt es noch sogenannte Städtefreundschaften mit deutschen Städten:
1967 begann die Städtefreundschaft zum oberfränkischen Kulmbach. Dort ist die bekannte Kulmbacher Brauerei zu Hause. Vielleicht begründet sich die Freundschaft also auf der Liebe zum Bier? Denn Lüneburg hat ja ebenfalls eine lange Tradition im Bierbrauen.
1990, also gleich im Jahr der Wiedervereinigung, kam die Stadt Köthen in Sachsen-Anhalt hinzu. Das liegt in der Nähe von Dessau-Roßlau und dort wiederum habe ich Verwandte, da mein Vater aus Sachsen-Anhalt stammte. Und so schließt sich der Kreis.
Die Kulmbacher, Köthener und Naruto-Straße befinden sich im Stadtteil Ochtmissen.
Hier findest Du noch einmal eine Übersicht aller Städtepartnerschaften und ‑freundschaften Lüneburgs mit kurzen Porträts der einzelnen Städte.
In diesem Sinne: auf gute Partnerschaft und Freundschaft!
Bonjour Clamart! – Buongiorno Ivrea! – Hello Scunthorpe! – Goddag Viborg! – Hei Tartu! – Konnichiwa Naruto! – Grüß Gott Kulmbach und Morschn Köthen!

Ein Kommentar zu „Von England bis Japan – Lüneburgs Städtepartnerschaften“