Warst Du schon einmal in der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, kurz PKL? Meine Frage soll nicht indiskret sein: Ich möchte nicht wissen, ob Du dort schon einmal in Behandlung warst. Aber vielleicht wolltest Du Dir einfach das wunderschöne parkartige Gelände mit den denkmalgeschützen Gebäuden und den alten Baumbeständen anschauen. Oder Du hast dort jemanden besucht.
Berührungsängste abbauen – das hat sich der Geschäftsführer Rolf Sauer auf die Fahnen geschrieben, als er 2007 seinen Dienst antrat. Und da kam ihm die Idee einer Mitarbeiterin, ein Musical über den Klinikalltag aufzuführen, ganz gelegen. Denn das lockt Besucher an.
Das weitläufige Gelände ist heute frei zugänglich. Du kannst es Dir also einfach bei Gelegenheit einmal anschauen und einen Spaziergang machen. Selbstverständlich werden Patienten, die für sich oder andere eine Gefahr bedeuten, hinter verschlossenen Türen gehalten. Spätestens im Februar nächsten Jahres solltest Du Dich auf jeden Fall auf den Weg machen. Denn dann gibt es dort ein ganz besonderes kulturelles Highlight mit hohem Spaßfaktor!

Die Theatergruppe des PKL besteht bereits seit 2012. Anfänglich wurden bekannte Musicals wie Grease und Mamma Mia aufgeführt. Auch bei der Lünepost-Karaoke stellte die Truppe ihr gesangliches Talent unter Beweis – oder zumindest ihren Sinn für Humor – und gewann 2014 das Finale. Aber dann musste ein neues Konzept her. Und Klinikmitarbeiterin Christiane Beutler erfüllte sich einen Traum: Sie schrieb Ihr eigenes Musical. Welches Thema lag da näher als der Krankenhausalltag? „Mental Home – Klischees aus dem Dienstzimmer“ wurde 2017 ein voller Erfolg: Insgesamt 1.915 Besucher kamen zu den elf Aufführungen. Zunächst waren nur acht Termine geplant, dann kam ein Auftritt in Lauenburg hinzu und schließlich gab es noch zwei Zusatztermine in Lüneburg. Mit dem Gesellschaftshaus verfügt das PKL über den idealen Veranstaltungsort.
Die strenge Oberschwester und die sparsame Klinikchefin
„Jeder Darsteller hat sich seine Rolle selbst ausgedacht“, erzählt Christiane Beutler bei der Probe. Sie habe dann nur noch etwas nachgeholfen, um den Figuren mehr Pepp zu geben. Selbst schlüpft sie in die Rolle der Oberschwester Helga, die ein straffes Regiment führt. In ihrem Team hat sie es unter anderem mit der Vorzeige-Blondine Schwester Cindy und dem notgeilen Arzt Dr. Spritzig zu tun. Psychologin Frau Feelgood liest ihre Weisheiten von den Zetteln des Yogi-Tees ab, die Putzkraft kommt selbstverständlich aus dem Ausland und die sparsame Klinikchefin heißt nicht zufällig Frau Sauerbier – kein Klischee wird ausgelassen! Und was sagte der „echte“ Geschäftsführer zu einer solchen Verhohnepipelung des Klinikalltags? Der musste natürlich das Drehbuch zunächst genehmigen, sah es aber gelassen: „Satire darf alles“, so Rolf Sauer.
Wer sich die Bilder und Kommentare in der (öffentlichen) Facebook-Gruppe Mental Home anschaut, bekommt eine Idee davon, wie viel Spaß alle Beteiligten – Darsteller wie Zuschauer – an dem Projekt hatten. Und so stand bereits vor der letzten Aufführung fest: Es muss eine Fortsetzung geben! Die kommt nun im Februar 2019 unter dem Titel „Da wird doch der Patient in der Bettpfanne verrückt – Klischees aus dem Patientenzimmer“ auf die Bühne.
Frau Penne hat die Schlafkrankheit und Frau Tüdel Demenz sucht den Weg zum Bus…..
Die äußerst kreative, spiel- und sangesfreudige wie bühnengeile, derzeit elf Personen starke Truppe, geht dieses Mal einen Schritt weiter: jeder Darsteller verkörpert gleich zwei Personen! Damit bleiben die bekannten Charaktere aus dem ersten Teil erhalten, hinzukommen aber elf neue Typen, die die gesamte Bandbreite der Gattung „Patient“ abdecken.
Bei Frau Tünnes‘ psychosomatischen Schmerzen kann nur noch Pastor Hoffmann helfen!
Das Bühnenbild ist einfach, aber wirksam: ein schlichtes Zweibettzimmer. Nach jedem Akt geht der Vorhang zu und ein Darsteller gibt sein Lied zum Besten. Derweil können sich hinter dem Vorhang die Anderen umziehen und kleine Veränderungen an der Ausstattung des Krankenzimmers vornehmen. Musikalisch hat sich das Konzept bewährt, bekannte Stücke auf den Krankenhausalltag umzudichten. Songs wie „Hör auf die Stimme“ bieten sich da an. Mein persönlicher Favorit: „Am Rollator vor mir schiebt ein junges Bürschchen“, stimmlich einwandfrei präsentiert von Gabriele Fischer alias Frau Tüdel Demenz, die während des ganzen Stücks den Weg zum Bus sucht.
Der Spaß steht im Mittelpunkt
„Wir können nicht immer unseren Text und wir singen auch nicht alle schön, aber wir haben viel Spaß“, erzählt Christiane Beutler. Das ist die Hauptsache, und man spürt es schon bei der Probe – selbst wenn die halbe Truppe wegen Krankheit oder Spätschicht fehlt. „Besser nicht zur Premiere kommen“, flachst „Oberschwester Helga“, „aber wir werden von Mal zu Mal besser“. Derzeit laufen die letzten Einzelproben. Im Januar wird es noch einmal zwei komplette Durchläufe geben, und am 9. Februar ist es dann soweit!
Frau Brücke braucht dringend mal wieder ein Dach überm Kopf und Frau Ete glaubt, sie sei immernoch Privatpatientin.
Bei allem Spaß werden auch sozialpolitische Themen aufgenommen, wie beispielsweise der Pflegenotstand. Patienten werden möglichst schnell abgefertigt, damit die Betten freiwerden. Und die Frau mit den zwei gebrochenen Armen bekommt ihr Essen hingestellt und ruft verzweifelt nach jemanden, der ihr hilft, ihre Brote zu schmieren. Frau Brücke wiederum nutzt das Gesundheitssystem schamlos aus: sie ist obdachlos und hat sich eigentlich nur einliefern lassen, damit sie mal wieder ein Dach über dem Kopf hat und eine warme Mahlzeit bekommt. Bei den chronischen psychosomatischen Schmerzen von Frau Tünnes kann nur noch der Klinik-Seelsorger Pastor Hoffmann helfen. Aber der macht lieber ein Selfie für Instagram. Frau Ete glaubt immer noch, sie sei Privatpatientin und benimmt sich dementsprechend – ist aber in Wirklichkeit überhaupt nicht versichert. Und Fräulein König hält sich für eine Prinzessin – vielleicht hat sich Christiane Beutler ja mit dieser Rolle noch einen weiteren Traum erfüllt?
Fräulein König hält sich für eine Prinzessin. Wie wird ihre Mutter damit umgehen?
Die transsexuelle Babsy von Glitzer muss sich das Zimmer mit einem Mann teilen!
Herr Diekmann bekommt ein Magenband gesetzt.
Für mich steht auf jeden Fall fest: diesen Spaß werde ich mir nicht entgehen lassen! Leider gibt es keinen Kartenvorverkauf, Du solltest also einfach rechtzeitig da sein.
Hier die Termine:
Donnerstag, 07.02.2019 um 20 Uhr
Freitag, 08.02.2019 um 20 Uhr
Donnerstag, 21.02.2019 um 20 Uhr
Freitag, 22.02.2019 um 20 Uhr
Donnerstag, 07.03.2019 um 20 Uhr
Freitag, 08.03.2019 um 20 Uhr
Mittwoch, 20.3.2019 um 20 Uhr
Donnerstag, 21.3.2019 um 20 Uhr
Alle Vorstellungen finden im Gesellschaftshaus der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, Am Wienebütteler Weg 1 statt. Einlass 30 Minuten vor Beginn der Aufführung.
Eintritt: 99 Cent
Ich wünsche Dir viel Spaß! Und vielleicht sehen wir uns?

2 Kommentare zu „Mental Home – Der ganz normale Wahnsinn!“