Der goldene Oktober machte ja in diesem Jahr zumindest in der ersten Hälfte seinem Namen wirklich alle Ehre. Nach einem Sonntagsausflug in die Lüneburger Heide – darüber ein andermal mehr – konnte ich es kaum erwarten, meinen stadtökologischen Rundgang fortzuführen. (Den ersten Teil findest Du hier.)
Ein Tag, an dem man etwas gelernt hat, ist ein guter Tag. So hat mal ein Kollege seinen Lehrer zitiert. Ich habe an diesem Tag wieder einmal eine Menge gelernt. Und dabei habe ich mich noch an der frischen Luft bewegt und viele tolle Fotos gemacht – was will man mehr?
Der Kalkberg, die sechste Station des stadtökologischen Rundgangs, liegt im Westen von Lüneburg. Um gute Lichtverhältnisse, also die Sonne im Rücken zu haben, mache ich mich am Nachmittag auf den Weg. Ich hatte aber doch unterschätzt, wie früh es bereits dunkel wird (und das war noch vor der Zeitumstellung!). Da ich die anderen drei Stationen auch möglichst noch bei gutem Licht erkunden möchte, ändere ich die in der Broschüre vorgegebene Reihenfolge etwas ab und fange in der Heiligengeiststraße an. Den Kalkberg hebe ich mir zum Schluss auf. Dort sollte ich ja auch später noch Sonne haben, und vielleicht gelingt mir ja ein schönes Sonnenuntergangsfoto.
Imkern in der Lüneburger Innenstadt
Ich muss zugeben, dass mir die riesigen Bäume vor der Heiligengeistschule noch nie aufgefallen sind, dabei sind sie wirklich nicht zu übersehen. Es handelt sich, so lerne ich beim Studieren der Broschüre, um Linden. Und die spielen bei der Stadtökologie insofern eine Rolle, als dass sie eine hervorragende Nektarquelle für Bienen sind. Im Juni und Juli entfalten Linden bis zu 60.000 Blüten pro Baum. So soll dann in den Abendstunden ein intensiver Nektarduft in der Luft liegen. Für die Imkerei sind die Stadtlinden daher von besonderer Bedeutung: Wenn auf dem Lande der Raps verblüht ist, kommen viele Imker in die Stadt und nutzen die vier- bis sechswöchige Lindenblütenzeit in der Lüneburger Innenstadt.
Ich folge der Heiligengeiststraße stadtauswärts, überquere den St. Lambertiplatz, biege dann rechts in die Salzbrückerstraße und dann wieder rechts in die Straße „Auf der Rübekuhle“ ein. Auf der linken Straßenseite befindet sich nach ungefähr 100 Metern – ganz unauffällig – der Eingang zu einem Innenhof. Im Gegensatz zu vielen Innenhöfen Lüneburgs ist dieser hier öffentlich und wird als städtischer Spielplatz genutzt. Auch an diesem Nachmittag spielen hier einige Kinder in Begleitung ihrer Eltern. Dass Spielplätze – gerade in der Stadt – wichtig sind, muss ich nicht extra erwähnen. Dieser hier aber ist tatsächlich eine kleine grüne Oase inmitten der dicht bebauten Lüneburger Altstadt. Neben verschiedenen Spielgeräten gibt es einen Weidentunnel und ein Insektenhotel.
Die Broschüre gibt wertvolle Tipps, wie man einen Innenhof naturnah gestalten kann. Gerade wenn die Sommer so heiß sind wie der diesjährige, kann ich mir vorstellen, dass solche schattigen Plätzchen sehr beliebt sind. Ich verlasse den Innenhof auf der anderen Seite und befinde mich in der Straße „Auf der Altstadt“. Von dort gehe ich links und komme zur St. Michaeliskirche.
Ich lasse den stattlichen Backsteinbau zunächst rechts liegen und werde später zurückkommen. Ich gehe weiter und überquere die Straße „Beim Benedikt“. Dort ist der Kalkberg bereits gut ausgeschildert und es sind nur wenige Meter bis zur Treppe, die hinaufführt.
Ist der Kalkberg überhaupt ein Berg, frage ich mich in dem Moment. Ich muss an den skurrilen Film „Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam“ denken. Darin stocken die Bewohner eines kleinen walisischen Dorfes ihren „Hausberg“ auf, da der gemäß der dortigen Definition eigentlich gar kein Berg, sondern lediglich ein Hügel ist. Nun, von den geforderten 1000 Fuß (knapp 305 Meter) ist unser Kalkberg mit seinen 56 Metern weit entfernt. Aber so genau ist das in Deutschland auch gar nicht definiert. Und auch der Wilseder Berg mit seinen 169 Metern trägt seinen Namen voller Stolz. Schließlich überragt er damit nicht nur die Lüneburger Heide, sondern sämtliche natürlichen Erhebungen im Umkreis von 100 Kilometern. Wir haben es halt ziemlich flach hier oben im Norden 🙂
Der Kalkberg ist also schnell erklommen und das Hochplateau ist auch für Kinder und Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, leicht zu erreichen. Und es lohnt sich auf jeden Fall! Denn von hier hat man wirklich einen traumhaften Blick auf die Stadt! Alle drei Hauptkirchen (siehe Titelbild) sind gut zu erkennen: links St. Nicolai (Turmhöhe 92,7 Meter), rechts St. Johannis (Turmhöhe 108,7 Meter) und in der Mitte, aufgrund ihrer Nähe scheinbar übermächtig, St. Michaelis mit der markanten geschwungenen Haube auf dem Turm (Turmhöhe 79 Meter). Der Wasserturm ganz rechts wirkt von hier aus geradezu winzig, dabei ist er mit 56 Metern auch immerhin genauso hoch wie der Kalkberg, aber eben deutlich niedriger als die drei Kirchtürme.
Der Kalkberg ist eigentlich ein Gipsdom, der aus 250 Millionen Jahre alten Sedimenten besteht. Seit der frühen Kreidezeit, vor etwa 130 Millionen Jahren, wölbt sich der Salzstock auf. Wie war das nochmal mit Salz und Gips? Leider war Chemie so gar nicht meine Stärke in der Schule. Ich muss wohl doch noch mal im Museum Lüneburg oder im Deutschen Salzmuseum etwas Nachhilfe nehmen….. Wie auch immer, bis zum Jahr 1922 wurde hier Gips abgebaut. Ein Gipsofen ist auf der westlichen Seite des Kalkbergs noch erhalten. Seit 1932 ist das Gelände ein Naturschutzgebiet mit einer Gesamtfläche von heute 7,6 Hektar, das entspricht ungefähr sieben Fußballfeldern. Beim Hochgehen ist mir das dichte Blattwerk aufgefallen, der reinste Dschungel! Schlingpflanzen ranken sich zwischen den herbstlich verfärbten Bäumen. Tatsächlich weist der Kalkberg eine ganz besondere Artenvielfalt auf, darunter einige seltene und gefährdete Pflanzen.
Geheimnisvoller Kalkberggrund
Den Blick von der Spitze des Berges habe ich schon früher einmal genossen. Heute mache ich mich zum ersten Mal auf den Weg in den Berggrund – eine völlig neue Perspektive!
Allerdings ist der Boden dort ziemlich feucht. Dass hier einiges kreucht und fleucht, kann ich mir gut vorstellen. Es ist recht einsam hier an diesem Montagnachmittag und ich fühle mich von den Felswänden ein wenig eingekesselt. Wenn hier jetzt eine Räuberbande um die Ecke käme…..
Ich verlasse den Berggrund und stehe vor einem Hexenhäuschen. Jetzt wird mir erst recht mulmig. Und auch aus den Tümpeln am Wegesrand könnten jederzeit Wassergeister entsteigen. Plötzlich höre ich einen Hund bellen. Ich bin richtig froh, auf andere Spaziergänger zu treffen und komme langsam wieder in der Realität an.
Wenn ich jetzt an der St. Michaeliskirche noch Fledermäuse entdecken würde, wäre mein Beitrag, der nun – es gibt ja keine Zufälle – gerade rechtzeitig zu Halloween erscheint – perfekt.
St. Michaelis: Felsbiotop für seltene Tierarten
Die St. Michaeliskirche, so heißt es in der Broschüre, ist mit ihren zahlreichen Mauervorsprüngen, Fensterluken und Nischen eine Art „Felsbiotop“ für einige Vogel- und Säugetierarten. Leider zeigt sich der Turmfalke, den man dort häufig beobachten kann, heute nicht. Und für die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere wie Eulen und Fledermäuse ist es vielleicht doch noch zu früh am Tag.
Für gute Fotos von der Kirche wiederum ist es bereits zu spät. Um den mächtigen dunkelroten Backsteinbau repräsentativ abzulichten, muss ich schon etwas in die Trickkiste greifen.
Dass mein stadtökologischer Rundgang durch Lüneburg dann doch wieder planmäßig in der Heiligengeiststraße endet, mag Zufall oder Fügung sein. Das Bier beim Mälzer, wo ich an diesem Abend verabredet bin, schmeckt mir jedenfalls nach dem langen Spaziergang an der frischen Herbstluft besonders gut.
Das war also der zweite und letzte Teil des stadtökologischen Rundgangs. Zur Erinnerung, den ersten Teil findest Du hier. Und hier erfährst Du, wo Du die Broschüre bekommst. Ich kann den Rundgang auf jeden Fall empfehlen und werde ihn sicher zu einer anderen Jahreszeit noch einmal machen.
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